
Von der Kiepe zur modernen Brotfabrik
Die Geschichte der alten Brofabrik in Ückendorf ist ein beeindruckendes Beispiel für Unternehmergeist, Innovation und Widerstandsfähigkeit. Gegründet im April 1870 von Wilhelm Beckmann, der ursprünglich aus dem Bergischen Land stammte (siehe "Einwanderung"), begann der Betrieb ganz bescheiden. Anfänglich verkaufte Beckmann seine Backwaren direkt "aus der Kiepe". Schon ein Jahr später war sein Geschäft so erfolgreich, dass er seinen ersten Gesellen einstellen konnte.
Gründerzeit (1871–1914)
1872 errichtete Beckmann auf eigenem Grundstück eine neue Bäckerei mit zwei Backöfen und einer innovativen Teigknetmaschine, betrieben durch Göpelkraft. Doch echte Innovation folgte 1879 mit der Umstellung zur Dampfbäckerei, ergänzt durch einen Mahlgang und eine Getreidereinigung. Der Weg dorthin war allerdings von Herausforderungen geprägt: Technische Schwierigkeiten und rechtliche Prozesse, verstärkt durch die Wirtschaftskrise der Gründerjahre, brachten das Unternehmen zeitweise an den Rand des Ruins. Es war vor allem der unermüdlichen Unterstützung seiner Frau zu verdanken, dass Wilhelm Beckmanns Betrieb diese schwere Phase überstand.
Mit dem Beginn des 20. Jahrhunderts erlebte das Unternehmen eine beeindruckende Expansions- und Modernisierungsphase. Karl Beckmann trat in den Betrieb ein und trieb Neuerungen energisch voran. Automatische Waagen, Mehlsilos und Teigteilmaschinen ergänzten die Ausstattung der Bäckerei. 1890 entstand ein großzügiges Wohnhaus samt Ladengeschäft, das bereits damals mit Zentralheizung ausgestattet war (Ückendorfer Straße 14)und eindrucksvoll den Erfolg der Familie Beckmann widerspiegelte.
Erster Weltkrieg
Der Erste Weltkrieg brachte erhebliche Rückschläge: Die Einberufung vieler Mitarbeiter, darunter auch von Karl Beckmann, sowie die wirtschaftlichen Einschränkungen der Kriegsjahre belasteten den Betrieb stark. Die anschließende Inflationszeit gefährdete das Überleben des Unternehmens erneut. Doch mit der Rückkehr eines freien Marktes stabilisierte sich die Situation rasch. Die Qualität der Beckmann-Brote überzeugte die Kunden und ermöglichte erneut Wachstum und Investitionen, darunter auch die Erweiterung des Betriebes und die Errichtung eines Gleisanschlusses zum Güterbahnhof der Reichsbahn.
Zwischenkriegszeit
Die Zwischenkriegszeit wurde durch weitere Modernisierungen geprägt. Ein neuer, großer Gangbackofen wurde installiert und später durch einen noch moderneren Zyklothermgasbackofen ersetzt. Die Umstellung auf Benzinmotorwagen ab 1928 und der Ausbau mit zusätzlichen Öfen, neuen Garagen, Stallungen sowie modernen sanitären Einrichtungen machten Beckmann zu einem führenden Bäckereibetrieb der Region. Ein eindrucksvolles Zeugnis dieser Phase ist eine Anzeige aus dem Jahr 1927, in der das Unternehmen bereits als „W. Beckmann Gelsenkirchen Brotfabrik und Mühle“ bezeichnet wird.
Besonders bemerkenswert war auch die umfangreiche Hofüberdachung, die erneuert und in einer weiten Konstruktion über den gesamten sauber gepflasterten Betriebshof gespannt wurde. Diese Überdachung schützte den Innenhof und ermöglichte einen effizienten und wettergeschützten Arbeitsablauf im Betrieb.
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